II. Möglichkeiten und Grenzen der Gestaltung von Eheverträgen/Ehescheidungsfolgenvereinbarungen

Das deutsche Recht basiert auf der grundgesetzlich garantierten Privatautonomie. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat
die Privatautonomie jedoch dort ihre Schranken, wo die freie Selbstbestimmung einer Vertragspartei nicht gegeben ist. Ist die Vertragsparität in
erheblicher Weise gestört und sind die Folgen für einen Vertragspartner ungewöhnlich belastend, können die Gerichte den Vertragsinhalt einer
Kontrolle unterziehen und gegebenenfalls korrigieren.

Diesen Grundsatz hat das Bundesverfassungsgericht durch Entscheidungen vom 6. Februar 2001 und 29. März 2001 (BVerfG FamRZ 2001, 343 und
FamRZ 2001, 985) auch auf notarielle Eheverträge über Güterrecht und Versorgungsausgleich und privatschriftliche Unterhaltsverträge
ausgedehnt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer Entscheidung vom 11. Februar 2004 (BGH, NJW 2004, 930 f.) die vom Verfassungsgericht
vorgegebenen Grundstrukturen ausgefüllt und im Rahmen der Beurkundung von Eheverträgen grundsätzlich eine Gesamtbetrachtung der
getroffenen Vereinbarungen, der Gründe und Umstände ihres Zustandekommens sowie der beabsichtigten und tatsächlich verwirklichten
Gestaltung des ehelichen Lebens gefordert.

Dem Notar wird dabei die Rolle als Instanz vorweggenommener Inhaltskontrolle zugedacht mit dem Ziel, in Eheverträgen und auch
Ehescheidungsfolgenvereinbarungen Parität herzustellen. Insofern soll der Notar den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt erklären,
die Berechtigten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und ihre Erklärungen klar und unzweifelhaft in einer Niederschrift
wiedergeben.
Somit ist es die Aufgabe der Notare in Bezug auf Eheverträge bildlich, "das Hemd für die Ehegatten maß zu schneidern".

Die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich unterliegen grundsätzlich der vertraglichen
Disposition der Ehegatten. Diese grundsätzliche Disponibilität darf allerdings nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen
Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn durch eine evident
einseitige, durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen
für den belastenden Ehegatten auch bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten bei verständiger Würdigung des
Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. (Diese Formulierung wird regelmäßig durch den XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes verwendet)

Mit anderen und einfachen Worten: Der Notar hat dafür Sorge zu tragen, dass keine Eheverträge oder Ehescheidungsfolgenvereinbarungen
beurkundet werden, die einen Ehepartner aktuell oder in der Zukunft unzumutbar belasten. Unausgewogene Vereinbarungen können zur
Nichtigkeit des gesamten Vertragswerkes führen. Aber auch die bei der Beurkundung wirksamen
Eheverträge/Ehescheidungsfolgenvereinbarungen können dann, wenn sich zukünftig aus ihnen eine evident einseitige Lastenverteilung ergibt,
durch die Gerichte in Rahmen einer Ausübungskontrolle „angepasst“ werden. Die Gerichte haben dann diejenige Rechtsfolge anzuordnen, die
den berechtigten Belangen beider Parteien in der nunmehr eingetretenen Situation in ausgewogener Weise Rechnung trägt.

Diese nachurkundlichen Kontrollrechte der Gerichte -die natürlich erst dann eingreifen, wenn die Vertragsparteien sich über die Folgen einer
beurkundeten Vereinbarung in der Zukunft streiten- sollten aber keineswegs dazu führen, von Eheverträgen und
Ehescheidunsfolgenvereinbarungen abzusehen. Im Gegenteil: Der Notar wird anhand der ihm zu schildernden individuellen Lebenssituation
beider Ehepartner ein Vertragswerk maßschneidern, welches den aktuellen Bedürfnissen aber auch den Bedürfnissen und Notwendigkeiten in der
Zukunft bei dem möglichen Hinzutreffen veränderter Lebensumstände Rechnung trägt. Im Ergebnis haben die Ehegatten gerade durch die
notarielle Beratung und anschließender Beurkundung die Gewähr dafür, dass ihre Ehe rechtlich sicher auf dem gewünschten vertraglichen
Fundament steht.

Auch hinsichtlich ehevertraglicher Vereinbarungen berate ich, auch im Scheidungsfall, umfassend und ausführlich.

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Rechtsanwalt und Notar a.D.
Gerhard Kostorz-Bräutigam